WIE ICH DICH NENNE. Crauss beim flugplatzfest des lsv, eisernhardt/siegen, 12.08.2018
AUS: DIE HARTE SEITE DES HIMMELS. PILOTENGEDICHTE.
und hier der artikel von Pauline Vollpert für die siegener zeitung (zum vergrössern aufs bild klicken):
WIE ICH DICH NENNE. Crauss beim flugplatzfest des lsv, eisernhardt/siegen, 12.08.2018
AUS: DIE HARTE SEITE DES HIMMELS. PILOTENGEDICHTE.
und hier der artikel von Pauline Vollpert für die siegener zeitung (zum vergrössern aufs bild klicken):
FLUGPLATZLESUNG AM 12.08.2018
Eisernhardt wird während des LSV-Flugplatzfests zur HARTEN SEITE DES HIMMELS
jetzt ist es heraus, Steffen Dürre hat es in seiner anmoderation des TXTfests rostock am 26.05.2018 verraten: “Crauss ist der waschbrettbauch der deutschen lyrik!” anlass der grossen lesebühne war das erscheinen der # 14 der WAS/WEISZ AUF SCHWARZ. Crauss ist in der “zeitschrift für alternative fiktionen” vertreten mit einem text über Patti Smith, ihre generationsnichte Friederike Mayröcker, Thomas Böhme und Allen Ginsberg. alles in allem eine klasse strandlektüre …
“wie kam das zustande? wir hatten gemeinsam gegessen, genossen, lieblinge, und sassen lesend beisammen. froh war ich, dass nicht eingetreten war, was ich befürchtet hatte. ich tat dir gut, auch wenn du das nie so gesagt hättest. patti smith, sagtest du, ist eine ausgesprochene cola trinkerin …”
eine der schönsten begegnungen der leipziger buchmesse 2018 war die begegnung mit den editoren des homunculus verlags. Crauss nahm an der präsentation der zeitschrift seitenstechen teil und las neben gedichten aus dem gerade erschienenen band DIE HARTE SEITE DES HIMMELS eine zum magazinthema “menschenfresser der liebe” passende fuge: le dialogue des carmelites erschien zuerst im debütband Crausstrophobie und als audiotrack auf der vergriffenen cd whisky & funk. hier könnt ihr das stück nocheinmal hören!
mehr als nur ein appetizer! Crauss stellt einen der wichtigsten lyrikbände dieses jahres vor: ein mitschnitt der release-lesung der HARTEN SEITE DES HIMMELS ist jetzt auf soundcloud verfügbar. weitere lesetermine findet ihr hier.
Das Verlagshaus Berlin ist zurück aus der BlackBox und legt mit einem fulminanten Programm wieder los! Was ist jetzt?, fragt der Verlag mit seinem Frühjahrsprogramm und stellt in der Buchhandlung Ocelot die neuen Gedichtbände von Mikael Vogel, Crauss, Martin Piekar und Tobias Roth vor.
Crauss‘ Gedichtband erzählt vom Schicksal der Piloten, die die Ungunst der Geschichte oder das Ende einer Liebe auf DIE HARTE SEITE DES HIMMELS verschlägt. Walter Faber, St. Exupéry, Ken Kitsen: ihre Träume sind Torsi, ein Ringen nach Atem in den Staubwolken des Rollfelds, auf ihren Post- und Nachtflügen erleben sie die gewaltige Schönheit und die furchtbare Drohung elementarer Kräfte. Auf jedem Airport tanken sie Sprit und Liebe. Ihr mädchen heisst Shirl, manchmal laufen Halbstarke den startenden Dakotas nach – aber ob die Rauhbeine je wiederkehren, steht in den Sternen.
Crauss geht dann nach Leipzig, um im Rahmen der Buchmesse die Pilotengedichte vorzustellen, hat dort aber selbstverständlich auch seinen im Verlag Dreiviertelhaus erschienenen Essayband SCHUNDFAKTOR dabei:
Lyrik-, Literatur- und Filmkritik im literarischen Gewand. Als hybride Texte, Destillate und Weiterschreibungen, oft auch im Detail Erweiterungen des Gelesenen, verhandeln sie neben Poetologischem Themen aus Musik, Fotografie, Architektur und Kulturgeschichte. Wir beobachten den Autor beim intimen Gedankengespräch mit gehemmten oder wütenden Kollegen, Ikonen, Fetischen. Wir folgen ihm durch tote Orte des heimatlichen Westfalens über Gleitstufen einer globalisierten Stadtbeschleunigung
Die Termine im Überblick:
02.03. – 20:00, Ocelot Buchladen, Brunnenstraße 181, 10119 Berlin
15.03. – 17:30, Leseinsel der Jungen Verlage, Buchmesse Leipzig, Halle 5
15.03. – 20:30, Homunculus Verlag/ Seitenstechen im Beyerhaus, Ernst-Schneller-Straße 6, 04107 Leipzig
15.03. – 23:00, L3 Lange Lesenacht, Moritzbastei Leipzig
15.03. – 24:00, Lyrikbuchhandlung, Leipzig, Lindenfels West
18.03. – 13:00, Kritische Ausgabe, “20 Jahre KA”, Buchmesse Leipzig, Halle 5, Literarischer Salon NRW
“glücklicherweise war das gedränge von herren und damen so gross, dass ich unbemerkt in einem winkel mit Rückert bald aus herzensgrunde fluchen, bald lachen konnte. für Rückert war es übrigens etwas schwieriger, in solcher weise seinen gefühlen luft zu machen, alldieweil er die ganze gesellschaft um eines hauptes länge überrragte. Goethes Erlkönig wurde vom kaufmanne selbst mit einer schnarrenden, eintönigen viertel-baszstimme rezitiert in einem rhythmus, der ungefähr dem ähnelte, was Haeffner einen trippeltakt nennt, so dass er, kurz gesagt, 50 stockprügel verdient hätte. auch ein stück Rückerts, eine art preis- oder wettgesang (sogenanntes tenzone) zwischen ihm und seinem freunde Uhland, wurde von den beiden ehrbaren reimerhäuptlingen Castelli und Deinhardstein mit einem so verkehrten pathos vorgelesen, dass Rückert darob in raserei geriet, obgleich das ganze nur geschah, um ihm, der jetzt in deutschland ein grosses ansehen geniesst, ein kompliment zu machen.
Per Daniel Atterbom, breslau, den 5. februar 1819
»Zu mir hat FM damals gesagt, so müssen Gedichte in Deutschland heute sein«, schreibt Christel Fallenstein, langjährige Begleiterin der Ebstehung vieler Mayröckertexte. Mit einem ganz besonderen Beitrag meldet sich Crauss heute aus der BlackBox! Es gibt einen tiefen Einblick in die Beziehung zwischen ihm und Friederike Mayröcker, ein Faksimile und Aufnahmen gibt es auch zu hören!
Im Verlagshaus Berlin stellt Crauss seinen im März 2018 erscheinenden Gedichtband DIE HARTE SEITE DES HIMMELS vor. Die Pilotengedichte werden illustiert von Felix Bauer. Crauss‘ Gedichtband handelt vom Schicksal der Piloten, die die Ungunst der Geschichte oder das Ende einer Liebe auf DIE HARTE SEITE DES HIMMELS verschlägt: Der Himmel kratzt Propellerdelays in die Windschutzscheibe des Fliegers – einer Dakota, einer zuverlässigen Kiste, wenn man achtgibt auf sie. Wenn man das nicht tut, sprengt das Sediment unten im Tank den Motor aus den Tragflächen.
»Ein schöner Lyrikband ist das«,schrieb der Lektor Rainer Goetz übers Manuskript zu DIE HARTE SEITE DES HIMMELS. »schön und doch auch irritierend: So leicht zu lesen waren Crauss-Gedichte noch nie!«
Mark Kanak hat sich mittlerweile einen namen als übersetzer zeitgenössischer deutschsprachiger lyrik gemacht. zuerst nahm er sich vor, nur ein paar einzelne Craussgedichte ins amerikanische zu übertragen, dann wurde ein komplettes manuskript daraus. eine erste kostprobe der DRAGON OATHS, einer art best of Crauss, erschien unlängst im international renommierten asymptote journal: gedichte, in denen er veduten aus gefährlichem frauenduft malt und opheliate herstellt aus unruhig verschwitzen träumen – lyrik also, die die sinne anspricht.
KANAK & CRAUSS lesen an diesem abend zweisprachig, sprechen über die herausforderungen des übersetzens und zeigen, dass es manchmal besser ist, dem redneck-lingo von illinois/ohio zu vertrauen als an einem schwachen oxford-zipfel hängenzubleiben. die frage, die während der intensiven zusammenarbeit dennoch nicht gelöst wurde, geben die autoren ans publikum weiter: wie überträgt man die redewendung von jemandem, der »pfeffer im arsch« hat nicht nur korrekt, sondern auch stimmig ins andere idiom?
das gedicht, um das es mit der pfeffrigen redewendung geht, heisst GRUSS AUS MALTA, hier im original und einer griechischen übersetzung nachzulesen.
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In the past few years, Mark Kanak has made a name for himself as a translator of contemporary German language poets. Most recently he embarked on translating a few Crauss poems into English and before long had assembled a whole manuscript spanning more than a decade of work. In August, the critically acclaimed Asymptote Journal (featured in the Guardian’s Translation Tuesdays) published some of the translations from the collection, spanning classic Crauss imagery drawn from watery dreams, tumbling 4 a.m. side trips and sweaty greetings from Malta – poetry that touches the senses, and Crauss at his very best.
KANAK & CRAUSS present the results of their collaboration, both good and bad (as translation is when it works best), speaking about the challenges of translation and provide first-hand examples of why some pieces sound better in Illinois-redneck hicktalk than proper Oxford English…and present examples of both. Some questions that weren’t solved are thrown open to discussion, after all, what does it really mean when you’ve got “Pfeffer im Arsch”?
Mittwoch, 06.09.2017 um 19:30 Uhr
SOMMERKLANGSPIELE
OTTO ABT & CRAUSS LESEN HAIKU UND ANDERE GEDICHTE AUS DER NACHBARSCHAFT
Engsbachstr. 83, 57076 Siegen | Der Eintritt ist frei|willig
Eine Veranstaltung mit Seltenheitswert. Denn einerseits – und obwohl er fast jedes Jahr ein Haiku-Buch veröffentlicht – liest Otto Abt recht selten vor Publikum. Zum anderen ertönt das Siegener Gamelanorchester höchst selten öffentlich.
Stillstehen – davon “handeln” viele der Kurzgedichte Otto Abts – bedeutet ja keinesfalls Stillstand. Es sagt: Innehalten, Schauen, Lauschen: schon tropft ein Gamelan-Ton in den anderen, strömt ins All und findet im Offenen Heimat, Geborgenheit also, Einfügung. Dies ist, was Abts Gedichte vermögen: durch eine dezente Reihung uns loszuschicken auf eine Gedankenreise, uns aber im unsicheren Augenblick wissen zu lassen, dass wir nicht alleine sind auf der Wanderung.
Otto Abt und Crauss mit seinem Lyrikband SCHÖNHEIT DES WASSERS lesen an diesem Abend Gedichte aus der Nachbarschaft und vom Ende des Sommers. Unterstützt werden sie von Armin Nassauer, der passend Schellack-Platten auflegt.
Wer mag, ist herzlich eingeladen, eigene Texte mitzubringen und in den Pausen vorzutragen. Keine Scheu! Da die Veranstaltung in den Privaträumen des Gastgebers stattfindet und um die Anzahl der Besucher abschätzen zu können, wird eine kurze Anmeldung unter 0271-75700 oder crauss@crauss.com erbeten.
Der Durchblick bringt im September einen Artikel über Otto Abts Gedichte:
… Bastian Schneider: Irgendwo, jemand.
Die Kölner Parasitenpresse veröffentlicht seit 17 Jahren deutschsprachige Lyrik als altpapiergeheftete Bücher und Lyrik-Taschenbücher aus BeNeLux und Südamerika.
Einer der konzentriertesten Bände ist der vor kurzem erschienene Doppelzyklus Irgendwo, jemand des in Siegen geborenen Bastian Schneider. Die Gedichte nähern sich dem großen Thema dieser Zeit: Flucht und Migration, und wie wir uns dazu verhalten, wie wir darüber reden und was wir unterlassen zu tun. Die Texte sind der Versuch, eine Sprache zu finden angesichts einer globalen Herausforderung, der man bisher nur unzureichend gerecht geworden ist.
An einer Hauswand steht // Zugvögel raus / irgendwo sind Menschen auf der Fahrbahn / das Mittelmeer ist eines der kleinsten Weltmeere / jemand spricht von sicheren Staaten / Menschen und Zugvögel kann man verwechseln, manchmal (…)
Bastian Schneider: Irgendwo, jemand. Gedichte, 14 S., 6,- € (Lyrikreihe Bd. 38)
Mr. Amerika
geh doch endlich wieder weg
du bist wirklich nur noch
der letzte Schrott
in deinem
feuerfesten Maßanzug aus
Super-super-kryptonit-Stoff
auch wenn du dich in deinem
eigenen Kopf ab und zu so
einsam fühlst
wie ein verloren-
gegangenes Popkorn […]
[…] während du nichts anderes
von dir gibst als ein millio-
nenfach gesteigertes
POW
WOW
da bin
ich
und
erlöse euch
alle
im
Namen
des
großen
amerikanischen
Hau.
Rolf Dieter Brinkmann in: Die Piloten. Gedichte, 1968
die moderne kommunikationstechnik wird uns kontinuierlich in eine planetarische schule für einen neuen, lebendigen und fruchtbaren nomadismus führen. die eng miteinander kommunizierenden weltvölker und rassen der zukunft werden einmal, mit einem gewissen respekt vor der dickleibigkeit, ehrlich über den untergangskatalog lachen und über die kulturen, die sich nicht aufzulösen (und unterzugehen) wagten.
Harry Martinson: reise ohne ziel (1932/33). aus dem schwedischen von Verner Arpe und Klaus-Jürgen Liedtke. mit einem nachwort von Klaus-Jürgen Liedtke neu herausgegeben. berlin: guggolz verlag 2017
die leipziger messe ist nun schon wieder einige tage vorüber, ja ja, sie war ein ereignis, auch diesmal. aber es gab eindeutig zuviele bücher. eine wohltat, dass es in der lyrikbuchhandlung – einem der tausend veranstaltungsorte – ausschliesslich gedichte zu hören, stöbern und kaufen gab. auf Safiye Cans neuens buch kinder der verlorenen gesellschaft freue ich mich noch – die autorin hat vollkommen zurecht den Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis sowie den AMF-Preis für aufrechte Literatur 2016 bekommen und bereits 2014 mit ihrem debut rose & nachtigall einen der besten lyrikbände mit liebesgedichten der letzten zehn jahre präsentiert – mittlerweile in der fünften (!) auflage.
die ganz unerwarteten lieblinge aus leipzig hatte ich aber bereits kurz nach der heimkehr verschlungen. mit vergnügen und erstaunen. Niklas Bardeli las ende märz in der lyrikbuchhandlung in lindenau (leipzig) und hinterliess einen eindruck, den zuletzt Mathias Traxler 2011 erzeugt hatte: “die lesung hiess lyrik an salatdressing oder so ähnlich, meine schlimmsten befürchtungen wurden erfüllt, geradezu verliebt machte mich aber Traxler mit seiner performance, einem applaus auf die unsicherheit, wie er es nennt. der autor hatte einen stapel nichteigener bücher auf dem lesetisch, pickte sich hin und wieder eine sentenz aus diesen büchern heraus und fügte sie den eigenen, spartanischen texten zu, stand da, drehte sich, ging ein paar schritt ins dunkle und verwischte die übergänge zwischen lesung, moderation und tanz. grossartig, gerade wegen der eleganz, die das hatte – und viel zu kurz; ein jammer. ein jammer auch, dass sich so etwas nicht schriftlich wiedergeben lässt, gleichwohl Traxlers buch you’re welcome in ähnlicher weise mit pausen arbeitet, auslassungen, mit Novalis’schem blüthenstaub.” (zitiert aus SCHÖNHEIT)
Bardelis performance war schlichter, und doch ebenso intensiv: worte, zögern, pausen, pausen, ausstreichen und vorwärts hasten. leider sind die aktuellen hybride – gedichte in blocksatz – noch garnicht erschienen, Bardeli ist ein langsamer schreiber offenbar, und vorsichtiger veröffentlicher. immerhin hatte der hochroth verlag aber den vorherigen band illustrationen parat: “schonungslos erbarmten sich meiner vier männer, von beruf stellmeister, die ihre arbeit verstanden, als hätten sie nie etwas anderes getan …” das gilt für die weichner wie es für den dichter gilt!
ein anderes schätzchen wäre im normalen buchchaos der messe nicht absichtlich aufzustöbern gewesen, und auch das link-verfolgen im netz wird einem nicht sehr leicht gemacht: loner4ever wollte gefunden werden – und das passt auch sehr gut zu den überaus witzigen poemen, die man im gleichnamigen blog nachlesen kann. der kanadische graphiker Vincent Hulme hatte seine “collection of failed attemps at wooing his/her heart” im berliner pogo books verlag unter dem motto “one canadian / too many beers later” drucken lassen, bei der präsentation der design-heftchen in der hochschule für grafik und buchkunst lag es dann etwas unscheinbar herum:
“meet girl thru friend / talk to her all night / ask for her number // gives me one / then tells me to delete it / and to take this other one instead // think its fake / never call her // two weeks later / friend asks me / yo, why didnt you call her …” – “meet girl at a naked party // don’t have a piece of paper …” undsoweiter. very komisch, absurd und wahr.
eigentlich hatte ich mir auch noch eine besprechung von Clemens Schittkos letzten beiden büchern vorgenommen, das “rasseln mit der assoziationskette”, wie es im deutschlandradio hiess, wurde mir dann aber trotz Binkmann-beat in manchen texten schnell langweilig: zu sagen “dieses gedicht ist ein gedicht, / weil ich es sage”,ist zwar eine haltung, die mir taugt, trotzdem sind untereinandergeschriebene einfälle noch kein gedicht. wieviel Schittko erträgt Schittko eigentlich? habe ich mich bei der lektüre von ein ganz normales buch gefragt. “ich kann es nicht mehr hören / ich kann es nicht mehr sehen / es kotzt mich nur noch an / und dann dieses geplapper / dieses gelaber” heisst es in der fünf seiten langen suada dumm.
“ich provoziere / ich provoziere …” schreit der autor. und ich ermüde! aber gerade das ist es: mein fehler. nicht Schittkos. und zwar: den versuch unternommen zu haben, den band als ganz normales buch in einem rutsch zu lesen. es kommt halt auf die dosis an, glaube ich. lieber einzelne langläufer als ein pulk demonstrierender schleicher. Clemens Schittko schreibt grossartige – und dann auch mehr politisch einwirkende (nicht politische) texte -, wenn er monoton schreibt und nicht zu viele wendungen versucht. beispielsweise im nsa-stück vom 04.10.2013, das im ritter-buch weiter im text erschien und in dem übrigens neben vielen vielen anderen die oben bejubelte Safye Can wieder vorkommt:
“Safye Can gefällt Dincer Gücyeters link. / Safye Can hat buchmesse RUHR – RUHR Kitap Fuans foto geteilt …” so gehts 21 seiten lang weiter, und ist trotzdem weniger unaushaltbar als die jammer-poesie im normalen buch. wo Schittko listen schreibt, lange listen, gelingt es ihm, an die sollbruchstelle der gesellschaft heranzukommen. egal, wie sehr er behauptet, dies nicht zu wollen.
natürlich, wenn ich ohne einen groschen bin, finde ich es superb. ich denke, dass die kunst eines landes auf unermessliche weise zu dessen prestige beiträgt; will man also, dass das land schriftsteller und künstler hervorbringt (personen, die in unserem land unsicher leben), muss der staat helfen.
die künstler sind teil ihres landes, und ihr land sollte das anerkennen, so dass sowohl es als auch die künstler auf ihre bemühungen stolz sein können. das mein ich wirklich so, liebes.
Dorothy Parker im interview mit paris review 1956;
die paris review interviews – 01; london, berlin: edition weltkiosk 2016
die lesereihe in guter nachbarschaft bringt seit 2014 etablierte autoren, literarische talente und musiker in jena, erfurt und weimar zusammen. mit der kombination aus lesung, konzert und offenem mikrofon ist die reihe fester bestandteil der thüringer literaturszene.
am 05.11.2016 ist Crauss ab 19:00 uhr im erfurter klubcafé Franz Mehlhose zu gast, um jungsgedichte und herrenprosa zu präsentieren. musikalisch wird der abend begleitet vom beeindruckenden sound aus folk und experimentellem elekro des erfurters littlemanlost. und wie immer steht autorentalenten für jeweils sieben minuten das offene mikrophon zur verfügung.
für den aktuellen ferment bildband 2016 hat der st. galler photograph Stephan Bösch Crauss zuhause im lesesessel portraitiert. Pater Adrian Willi steuert einen text bei (hier nur ein auszug) – und fertig ist die geschichte vom glück. ferment erscheint jährlich im pallotiner verlag gossau.
A/O
kumm, sweet n’dr’thƏ
łah aihl- łah, aihl- lł-väh
th-aihl łah łah, ah ahil łah łah: th-héhé
n’dr’thƏ (räh rhøø – hH Hh hH Hh h)
es liess mich einfach nicht ruhen. ich hatte immernoch den klang dieses gedichts im ohr, diese fremde und doch so vertraute sprache. A/O, das junge talent von anfang und ende, würde einmal eine grossartige performerin werden. meine liebe freiundin, FrauProfessor, hatte mir ein video der klangkünstlerin geschickt – also übersetzte ich, damit es erhalten bliebe “kumm, sweet n’dr’thƏ”
wie wunderbar da im zweiten vers mit wiederholungen des ersten gearbeitet wird! ohne abzuflachen, im gegenteil: die wendung zum “th’héhé” am ende des verses signalisiert die vollständige beherrschung formalen geschicks.
24. April 2016, 15.00 Uhr
Zurück vom Mondgebirge: Ende der Fuchsjagd
Friedrich Kröhnke anlässlich seines 60. Geburtstags
vorgestellt von Crauss (Gemeinsame Lesung)
ZKF, Zentrum für Friedenskultur, Kölner Str. 11, 57072 Siegen
Friedrich Kröhnke, 1956 geboren, gilt als feinsinniger Stilist. Seine Romane schwingen lange im Leser nach, stets beschreibt der Autor auch sein eigenes Leben, vor allem aber erzählt er Geschichten von der Liebe, von der Unrast des Neurotikers und vom Reisen, ohne wirklich anzukommen: einmal um die Welt und darüber hinaus.
In Kröhnkes Miniaturen und frühen Romanen geht es ums Erwachsenwerden, die erste sinnliche Begegnung mit Büchern, um die geröteten Wangen beim Verschlingen von allem, was man als Jugendlicher in die Hände kriegen kann. Es sind diese ersten Bücher, die eine unbestimmte Sehnsucht nach Ferne und nach großen Gefühlen wie in alten Filmen erzeugen. Und es ist der ältere Herr auf der Domplatte oder in der U-Bahn, der dem Füchschen zeigt, was es so gibt. Freilich, dieser Herr bleibt allzu oft allein zurück, enttäuscht, ein gealterter Stromer, dessen einzige Chance zu überleben jene ist, sich bald wieder auf den Weg zu machen mit einem neuen, jungen Gefährten.
Zwei Buchtipps, nämlich zur Diebsgeschichte und zum Ratten-Roman gibts hier
… Crater Browns heisse höschen – kaltes blut: Danny Boyds besucherin war hochmodern gekleidet, aber sie kam mit einem uralten anliegen: sie wollte endlich heiraten! zwei ihrer verlobten waren eines rätselhaften todes gestorben, nun soll Danny als dritter angeheuert werden. für 5.000 dollar und vier vorverlegte flitterwochen. der privatdetektiv vertauscht die palmenstrände hawaiis mit sydneys wolkenkratzern – um zu erfahren, dass es aus dieser hochzeitsnacht kein erwachen gibt!
geröteten angesichts tauchte Sonia aus dem sitzkissen auf und strahlte mich an. “ich freue mich so für dich, Danny! und jetzt kann ich endlich diesen scheusslichen alten bikini wegschmeissen. wir brauchen ihn nicht mehr.”
… H.D. Thoreau: ziviler ungehorsam. hamburg: reclam 2013
“die amerikanische regierung: was ist sie anderes als eine tradition – eine recht junge erst, doch immerhin -, die sich unbedingt ohne machteinbusze der nachwelt überliefern will, dabei aber jeden augenblick ein stück ihrer glaubwürdigkeit verliert? […] regierungen zeigen uns also, wie erfolgreich die menschen zu betrügen sind, ja, wie sie sich selbst betrügen […] wenn ein sechstel der bevölkerung einer nation, die ein zufluchtsort der freiheit sein will, sklaven sind, und wenn eine fremde armee widerrechtlich ein ganzes land überrennt, erobert und der kriegsjustiz unterwirft, dann, denke ich, wird es höchste zeit, dass ehrliche leute rebellieren und revoltieren.”
Marie Luise Kaschnitz: das haus der kindheit. (rowohlt 1962, claassen 1956)
zauber und qual der kindheit werden in diesem buch beschworen und gegenwärtig. die autorin führt uns in ein unwirkliches museum, widerstrebend fast betritt sie es. mit geheimnisvollen apparaturen werden bilder, erscheinungen und empfindungen scheinbar zusammenhanglos zurückgerufen. der geheime sinn bleibt mosaik, die vergangenheit hat zukunft, den leser des berichts gruselt es.
“der gedanke, auch nur einen tag lang ganz ohne pause den quälereien des museums ausgesetzt zu sein, ist mir entsetzlich. zunächst würde mich, da ich alle beziehungen vorübergehend abgebrochen habe, niemand dort suchen, später aber wären, selbst für die polizei, meine spuren völlig verwischt.
manchmal kommt mir das haus der kindheit vor wie ein bergwerk, in dem ich immer tiefer hinabsteige, dem herzen der erde zu. im schosze der erde gibt es schaurige höhlen und ausweglose stollen, in denen schlagende wetter drohen, aber es gibt auch gold- und silberadern, edelsteine und halbedelsteine. der heutige “edelstein”: ein lichtes blattgeflimmer, dazu faulbaumblütengeruch und ein ferner unzählbarer kuckucksruf wären eine reine freude gewesen, hätte sich nicht, wohl als folge des bereits durchgenommenen erfahrungspensums, das schmerzliche gefühl einer schon verlorenen heimat dazu eingestellt.”
1947
GROUND CONTROL TO MAJOR TOM
YOUR CIRCUIT’S DEAD, THERE’S SOMETHING WRONG
2016
eine flüchtlingsgeschichte von David Leavitt, the two hotel francforts: in the summer of 1940 lisbon is the only neutral port left in europe. it is a city overcrowded with exiles, spies, refugees of every nationality. in this precarious atmosphere two couples awaiting safe passage to new york meet. both are best by the social and sexual anxieties of their age. as europe sinks inexorably into war, the hidden threads which bind these four characters begin to unravel.
“the point is, by signing all these visas, the consul was flagrantly violating orders, whiche were not to issue a single visa without getting clearance from lisbon. he had a conscience – for which he’ll pay dearly. and in the meantime Salazar’s stuck with a hundred thousand refugees.”
“can’t he send them back?”
“back where? spain won’t have them. france won’t have them. did i tell you abaout the couple Iris and i met on the International Bridge? the wife was dutch, the husband belgian. it turned out they’d made it through the french border patrol and crossed into spain, only to be told by the spaniards that there was something wrong with the wife’s visa – they couldn’t read the date or something – and she had to go back to france and get a new one. so then she walked back to the french side of the bridge, where the french guards told her that she couldn’t enter france because she didn’t have a french entry visa. so then she trooped back to the spanish side, only to be told … well, you get the picture. for all i know, she’s still on the bridge.”