figuren brauchen details, die sie im gedächtnis des lesers verankern (W.G. Sebald). beispiel: „der busfahrer war ein dicker karpfen mit einem schnurrbart.“ die romanschriftsteller irren sich, wenn sie glauben, dass ihre leser sich immer wieder die mühe nähmen, die von ihnen sorgfältig beschriebenen gesichter im geiste nachzuzeichnen.wenn ich lese, sein […]
SCHÖNER SCHREIBEN
auch wenn Sie von sich selbst schreiben: unbedingtes abgewöhnen des ICH: FIGUREN erfinden! so entstehen texte, in denen nicht nur dem ICH etwas passiv geschieht, sondern personen, die aktiv und bewusst handeln. (zuviel ichizismus) schaffen Sie originale figuren! jeder mensch ist individuell, daher sollten auch charaktere in geschichten einzigartig sein. […]
erst nachdem der ort festgelegt ist, treten die figuren auf. der ort kann durch ein winziges detail bestimmt werden, etwa: „er sitzt still“ (offener oder geschlossener raum, stuhl oder bank, fokus auf einem einzigen sitzplatz)
ort und zeit sind die knackpunkte der narrativen künste: alles geschieht gleichzeitig, der autor muss sich aber notgedrungen auf eine reihenfolge festlegen. um sich nicht gleich am anfang zu verheddern, muss der autor eine rigorose entscheidung treffen, indem er etwa den ort mit namen nennt oder ihn durch die zeit […]
eine enge erzähl- oder handlungsstruktur eröffnet möglichkeiten. nehmen Sie ein erzählmuster oder ein genre und schreiben Sie sich aus ihm heraus. (W.G. Sebald) Karen Duves regenroman ist zu beginn ein krimi, in der mitte erotisch und ein ganz anderer krimi am Ende.
eine gute zeichnung muss wie ein flechtkorb sein, aus dem man keinen halm herausnehmen kann, ohne ein loch zu hinterlassen. —Henri Matisse 1939
der dichter schreibt niemals irgendetwas, sondern er schreibt immer etwas bestimmtes. (Michael Niehaus)
9 Thomas Kling schreibt in botenstoffe: “gute gedichte sind immer produkte des kontrollierten aussersichseins, nicht von innerlicher schlafwandelei”; das gedicht/ der gedanke „fliesst“ also nicht aus mir heraus, ich steuere ihn! 10 und doch: “die wörter wissen mehr von uns als wir von ihnen” (René Char) 11 Durs Grünbein in einer poetikvorlesung: […]
7 redewendungen und idiome bieten schöne charakterisierungsmöglichkeiten in gedichten oder short stories. John Creely: “ich denke an William Carlos Williams’ antwort, die er einem britischen professor gab, als der ihn nach einer lesung fragte, woher er seine sprache habe: ‚aus dem mund polnischer mütter’ – womit er nicht polnisch meinte, […]
4 die „not zu schreiben“ (Uwe Kolbe) und die „lust am text“ (Roland Barthes) soll auf leserseite gleichermaszen spürbar sein, damit sich beim lesen die reize hinter/ zwischen den bedeutungen: klänge, metrische spiele, brüche, bedeutungsdopplungen, notwendige ungeschlachtheit (das gedicht als wunde), überhaupt stilistische rafinessen, geniessen lassen. 5 Hubert Fichte macht sich […]
originalität/ grenzüberschreitung ist nicht zu verwechseln mit dem „originellen“ als interessantheits-kriterium. ein werk soll ausser welthaltig zu sein der realität etwas neues, eigenes hinzufügen. zeichen der originalität kann zb. etwas spezielles innerhalb einer figur sein. deutliche beispiele nicht-originaler, sondern eher schablonenhafter charaktere finden sich in groschenheften. man erwartet von der […]
würden wir bei einem gereimten gedicht das jeweils nächste wort mit sicherheit voraussagen können, wäre das gedicht langweilig. ohne den aufbau einer erwartungsspannung würden wir nicht weiterlesen. das wertkriterium verlangt, dass literatur nicht langweilig, sondern originell sei. das kann bei gedichten eine sprachliche schönheit sein, die spannung einer erzählung (wie […]
dort, wo dichtung eindeutige aussagen macht, ist sie selten gross und tief. am wahrhaftigsten ist sie, wo sie ein gestochen scharfes röntgenbild (die formulierungen, textaufbau etc) liefert, die diagnose aber offen lässt. ein werk kann zu anfang komplex wirken, dann besteht der genuss daran aus einem im fortlauf leichteren lesen. […]
typen, also nach eigenschaften typische, dh: einseitig gezeichnete charaktere, sind weniger interessant als differenzierte individuen. allgemeingültigkeit bezieht sich aus dem was eines werkes, das durch das wie der form verstärkt wird. sie kann beispielsweise in der literature engagée, in politischen oder zeitnahen geschichten vorkommen (etwa Bölls Katharina Blum).
die dichterische gestaltung von welt hat zwei dimensionen: fülle und tiefe. der autor kann sich entscheiden zwischen der abbildung einer mehr oder weniger detaillierten aussenwelt und – als spiegelung – einer individuellen innenwelt. die gefahr zu grosser welthaltigkeit ist das abgleiten ins bloss stoffliche, also die schilderung nicht weiterführender details […]
nicht alles, was richtig ist, ist auch verständlich. die verständlichkeit eines textes beurteilt der leser: seine position, sein vorwissen, sein aufnahmevermögen sind zu bedenken. formulieren Sie so genau wie möglich, aber nicht genauer als nötig. wählen Sie wörter, die bekannt sind oder binden Sie vermutlich klärungsbedürftige begriffe so ein, dass ihre bedeutung sich aus […]
besonders wir deutschen leiden an hauptwörterkrankheit und verb-armut. das hauptwort bringt aber erstarrung, während beim zeitwort bewegung und geschwindigkeit liegt. lösen Sie hauptwörter verbal auf, wo es möglich ist! viele nebensätze werden zu nebelsätzen! eine alte regel gilt auch für moderne texte: neuer gedanke = neuer satz. finden Sie angemessene, […]
eine dürftige geschichte bleibt dürftig, auch wenn Sie die formulierungen aufblasen. Georg Christoph Lichtenberg meint dennoch: „ein guter ausdruck ist fast soviel wert wie ein guter gedanke.“ nutzen Sie Ihren passiven wortschatz aus. jeder von uns besitzt einen grossen passiven wortschatz und einen manchmal zu engen aktiven. als langsam licht […]
ausdruck ohne formale bewältigung langweilt auf dauer! allerdings sollte die intensität des ausdrucks nicht auf einer geraden liegen. die aufmerksamkeit des lesers muss sich immer wieder erholen können. wechseln Sie die diktion: einmal straff, dann wieder aufgelockert. nicht jeden satz mit „schwerer kost“ belasten.
stimmig ist ein text, den sich autor wie leser in seiner substantiellen form nicht besser vorstellen können. das ist utopie. wer hats gesagt? form und inhalt lassen sich nicht getrennt voneinander betrachten, sie sollen aufeinander abgestimmt sein. stimmig kann ein werk auch sein, wenn ein disparater inhalt durch eine inhomogene form […]