Nicht verpassen: Lesung und Workshop mit Crauss.

DISKO LÜGT, oder: DER SEKT SCHMECKT NUR, WENN ER PRICKELT

Mittwoch, 09.09.2020 um 19:00 Uhr in der Buchhandlung BÜCHER BUY EVA
Markt 5, 57271 Hilchenbach

Die Lesungen, die Crauss in der heimischen Region hält, sind rar. Der Dichter und Kulturpädagoge ist mit seiner Poesie im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. 2019 hat er zahlreiche private Wohnzimmer mit Gedichten und Geschichten versorgt und sich bei dieser Lesetour selbstverständlich neue Inspiration geholt.

Mit DISKO LÜGT bringt er nun selten gehörte Prosatexte nach Hilchenbach. Denn neben erotischen Kurzgedichten und Liebeslyrik aus seiner Poesieschachtel BUNTE SOCKEN TRAGEN sollen hier endlich einmal wieder Geschichten über die Jugend, das Verliebtsein und das ewige Prickeln in den Lenden zu Wort kommen. Ist es peinlicher, eine romantische Message zu erhalten oder selbst auf Senden zu tippen? Und wieviele Zeichen braucht es, um wirklich alles zu sagen? Vom MOTORRADHELD bis zum SCHUNDFAKTOR ist alles dabei.

Am 12.09.2020 von 14:00 bis 16:00 Uhr findet dann im Museum für Gegenwartskunst Siegen ein Schreibworkshop statt:

Beim Wortwolken-Gewitter passend zum derzeitigen Museums-Thema können alle Interessierten ab 10 Jahre ohne Voraussetzung teilnehmen.

Im Mini-Workshop führt Crauss auf spielerische Weise in unterhaltsame Methoden ein, Texte zu erfinden und zu gestalten. Wir schauen in den Himmel: Wortwolken, Schäfchenwolken, Kumulusmücken, Schwärme von Luftfetzen.

Herzliche Einladung, Hauptsache heiter!

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Nicht verpassen: Lesung und Workshop mit Crauss.

born slippy/ drachen steigen underworld


deine stange. du bist dünn. deine dünnen flügel aus papier. deine dünnen flügel aus papier. im wind. schlag. deine sonne. flieg hoch. dein fenster bricht. deine stange. du bist dünn. deine dünnen flügel aus papier. zucker dose. zucker junge. geht rein. zucker dose. zucker junge. kerze in der hand. zucker junge. deine stange. du bist dünn. deine dünnen flügel aus papier. deine dünnen flügel aus papier. im wind. klappern. klappern. deine sonne. steig hoch. dein fenster ist im wind. zer brochen. dein markenzeichen grollt. dein zeichen flattert. klang körper. heimatlose bäume. sammeln sich. vor deinem fenster rufen schmuggel kinder. nach dir. und liegen zwischen fliegen rum. das fieber jenes sommers kommt. katzen sammeln sich vor deinem fenster. heimatlose bäume. schmuggel kinder rufen dich. lieben dich. liegen zwischen. liegen zwischen fliegen rum. du fliegst. fliegst hoch. deine stange. du bist dünn. deine dünnen flügel aus papier. steig rein. in deine sonne. steig hoch. schlag. schlag. dein fenster hat der wind. zer brochen. die sonne scheint. die sonne scheint. auf deinem markenzeichen. blauer bauch. deine stange. du bist dünn. deine dünnen flügel aus papier. klang körper klang körper klang körper klang kling klang körper kling klang kling kling dein ding. flattert. dein klang. grollt. zucker dose. zimt arsch. bleich bauch. schlag schlag schlag schlag schlag hoch. klang körper. klang.

da ist ein geräusch. auf der andern seite dieser mauer. ein vogel singt. auf der anderen seite dieser scheibe. fuss spurn. verborgen. stille wahrt eine stimme auf. ich geh im wind ans wasser ran. umspült fast meine füsse. hör dem stacheldraht zu. summt. und ein geräusch auf der andern seite. der mauer. ein vogel zwitschert auf der andern seite. der scheibe. fuss spurn. im verborgenen. die stille fesselt eine stimme. silber kette. gummi riemen. weg geworfen. flügel ab. gebrochen:

wow! lauf junge hunde junge dreckig tauber engel junge eingang junge sie war ein lippstift junge sie war ein schöner junge und tränen junge und alles in deinem innenleben junge du hattest hände junge mädchen eisen junge hattst chemiebaukästen junge und ich bin dir nah gekommen junge und du stöhnst bloss junge sagte sie sie sagte komm schon her komm her sie lächelte dich an mann. lass dein gefühl raus zieh nur die maske niemals aus mann zufall mann frau blond hoch spannend rennend rhythmus frau blond mann blond land blond frau mann spannend meine droge mann bist echt mann sprich mit mir mann hund dreckig tauber peitschenjunge machst dich nass mann riesig grosses ding mann saurer riese mann und eine grosse nummer mann und nummern nummern nummern nummern nummern nichts erinnern junge. magst meinen gummiprügel junge und wirst feucht wien engel. entgleist. du hast einen lila mund und bist so sukkulent junge saftig schimmernd schmutzig wunderbarer heisser junge telephondraht ich und Gott und alle auf der leitung und da kommt ein engel rein und schau mich an und deine mutter machte hockend in ein ubahn loch am einkaufszentrum und ich komme gerade frisch vom schiff und sprech sofort den blondsten an den ich finden kann ich ruf nach bier bier bier bier bier bier bier und nach dir junge ruf nach bier bier bier und gib mir jemand bisschen was zum schnupfen junge hunde junge weisses megaschnupfzeugs junge spass junge macht doch spass junge siehst ne menge dinge junge ruf nach bier bier bier bier bier und diesem weissen crack da zeig ich dir was alles so sehen kann und was man machen darf wenn man sich traut geh doch heim mann mama junge hallo mama mann die hats doch auch drin süsser schnee wind süsser winter süss im wind und mild im regen wind im winter

das telephon klingelt. sie sagt:

du fühlst dich nicht mehr an wie früher. süss im winter süss im regen. saftig. vor gebrauch gut schütteln sagte sie. so rührst du mich lang schon nicht mehr an. verbindung rein. empfänger aus. sie liess dich durch die hintertür rein. rausgefunden dass dir etwas fehlte an ihr. fühlst dich nicht mehr an. fahr ab fahr auf den rhythmen der mitternachtsbahn nach wannsee. kann sie folgen. reite die rhythmen. süss im winter süss im regen. drehst du deine runden. vor drei stunden noch war alles gut. so weit. so rührst du mich schon lang nicht mehr. nein. nein. verbindung leitung standkontakt. sie war eine leitung standkontakt zum locus communis wo jeder war wie jeder. zeit. brachte dich weiter. schwer gefasst was los war. regennass und schüttel mich sagst du du rührst mich nicht mehr an wie sonst du streichelst nicht wie früher her komm her der stecker steckt nicht mehr das radio spielt sie liess dich durch die hintertür für ein paar stunden schnurrtest auf den rhythmen die aus ihrem haus heraus warn durch die stadt bahn letzter zug nach wannsee wann sehn wir uns wieder drehtest deine heimlich heimlichen runden durch die stadt auf diesen schweren liedern wieder wissen wir nicht wann und ob und wann und überhaupt ob wir uns wiedersehn ich seh dich stehn am fenster denkst du mensch da dringen deine lieblingslieder raus und tragen mich ganz mild im regen bin so dreckig. und das licht es blendet mich macht meine augen blind. du bist so furchtbar schmutzig. und das licht es blendet deine hand. gut schütteln vor gebrauch doch du berührtest sie nicht mehr. dann mach das radio an und denk an mich ich liebe dich und wehe mit dem wind schwernass ach was schalts radio ein ich will dein äther sein und gleite auf den rhythmen durch die nacht zu dir. ich war beschäftigt telephonsex anzuhörn der durch die hintertür erschien. in deinem haus. in haut hautengen unterhosen. und die lichter blenden mich weit weg von dir ich ziehe wellen durch die stadt vor stadt vor langer zeit war uns kein weg zu weit zu uns und uns und uns und dir und mir und schlammnass sinke ich am strassenrand in meiner hand ein bild von dir und dreckig und die lichter blenden mich ich denk an dich und flieh vor dir und ziehe wellen und wir werden wellen wurden alle samt verrückt und tanzten. tanzten uns allein. meinen kick krieg ich wos leben nur ein augenblick ist. meinen nervenkitzel bis zum kurzschluss in der stadt. im stadtbahntakt. das licht macht meine augen blind. und ich fühl mich schmutzig. und das licht und fühl mich so erschüttert. da geht Gott auf krücken. und da kommt ein neuer Gott. da kommt ein neuer Gott wie ubahngrollen mit dem duft von zimt und einer violetten zunge und ganz leicht angezogen einem hokuspokus aus pixeln. und ich hatte telephonsex alle hände voll zu tun und süsser winter süss im wind und schwerrnass pfützenspass um über die leere in meinen lieblingsjeans hinweg zu kommen. und ich krieg aufs maul. gefriergetrocknet. krieg aufs maul krieg meinen kick für einen augenblick das licht verbrennt mir meine augen. und ich fühl mich dreckig. da geht Gott auf krücken. und ich werde nicht verrückt. ich werde nicht verwirrt sein. sie haben mich verwirrt allein gelassen ich werde nichts anfassen nichts anfangen nicht verrückt mit einem andern mann. ich kann bis heute nicht begreifen was mich trieb ich lieb dich doch ich lieb dich noch ich wollte doch nur sehn wie sich das anfühlt aufgewült die stadt umspült mich spült mich an den rand ins vorland strand nass regensüss im winter habe nicht gewusst geahnt das hat mich umgehaun. für einen augenblick den kick auf kanal acht. die qual der wahl. erleichter dich. hör auf deine augen sagte jemand. aber alles was ich sehen konnte war Doris Day auf einer riesigen satellitenleinwand wie sie mit Schleudertrauma Tom dem autoknallkopf in der ubahnröre am nollendorfplatz verschwindet. und das licht verbrennt mir die augen. und das licht verbrennt mir die augen. meinen kick für einen augenblick auf kanal acht. und es wird nacht. schnee. flimmern
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Crauss: MOTORRADHELD. prosa. klagenfurt/wien: ritter verlag 2009
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born slippy/ drachen steigen underworld

NICHT ENDENDE VORREDE: 10 JAHRE PROLOG

PROLOG XProlog – Heft für Zeichnung und Text veröffentlicht frei poetisch Subjektives in Form von Zeichnungen und Texten sowie künstlerische Manifeste, InterviewsDokumentationen von Schaffensprozessen u.v.m. Jede Nummer widmet sich einem Thema, Themen waren z.B. Rand, Arbeit, Struktur(en), u-TOPIEN… Seit der Gründung 2007 haben im Prolog über 200 Künstler- und AutorInnen aus Berlin, der BRD (alt/ neu/ gesamt), aus Österreich, der Schweiz, aus Frankreich, Italien, Dänemark, Großbritannien, Russland, den USA, Japan, China und … veröffentlicht.

Zum Jubiläum ist jetzt eine über 130seitige Überblicksnummer mit CD erschienen. Von Crauss gibts das Gedicht grenzüberschreitung/mittelformat 1963 in einem deutsch-georgischen Audio-Mashup, eine improvisation auf Klavkis atemlosigkeit des denkens als Mini-Lesung sowie das Gedicht brav! mit worten mich bändigen, das es 2016 nicht mehr in die Liebesgedichtschachtel BUNTE SOCKEN TRAGEN schaffte.

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NICHT ENDENDE VORREDE: 10 JAHRE PROLOG

IN GUTER NACHBARSCHAFT: jungsgedichte und herrenprosa

die lesereihe in guter nachbarschaft bringt seit 2014 etablierte autoren, literarische talente und musiker in jena, erfurt und weimar zusammen. mit der kombination aus lesung, konzert und offenem mikrofon ist die reihe fester bestandteil der thüringer literaturszene.

Crauss (c) marvellous

am 05.11.2016 ist Crauss ab 19:00 uhr im erfurter klubcafé Franz Mehlhose zu gast
, um jungsgedichte und herrenprosa zu präsentieren. musikalisch wird der abend begleitet vom beeindruckenden sound aus folk und experimentellem elekro des erfurters littlemanlost. und wie immer steht autorentalenten für jeweils sieben minuten das offene mikrophon zur verfügung.

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IN GUTER NACHBARSCHAFT: jungsgedichte und herrenprosa

KEIN VERGLEICH: original und fälschung

MOTORRADHELDmofaheld

 

 

 

 

 

 

 

 

man muss es nicht gleich eine plumpe fälschung nennen, aber ein vergleich zwischen Lars Niedereichholzens MOFAHELD (fälschung, 2016) und dem 2009 erschienenen original MOTORRADHELD von Crauss wird ganz sicher zugunsten der im ritter verlag wien/klagenfurt erschienenen prosa ausfallen.
denn wo bei Niedereichholz (“für meine kinder. trinkt keinen schnaps!”) “sämtliche personen und handlungen frei erfunden” sind, ist bei Crauss alles echt: jawbreaker, 12incher, die 80er. MOFAHELD will durch gemütlich-witzige nennung von kindheits-accessoires und in einem sich an poetry-slam-muster annähernden stil den leser fangen. Crauss aber, so Matthias Fallenstein in einer rezension, “vermeidet jede andeutung einer didaktischen geste. ihm ist bewusst, dass zukunft befristet ist, dass es ein ende geben wird, so wie die jugend vorbei ist und nur noch rückblicke auf die vergangenheit erlaubt sind: blicke durch eine unüberwindlich trennende, wenn auch durchsichtige scheibe. wer diese distanz nicht respektiert,” macht sich lächerlich.
so ist in wirklichkeit MOTORRADHELD “der roman des phänotyp jugend seit den 80er jahren. neben zahlreichen anderen literarischen verweisen, anspielungen und zitaten findet sich auch eine erinnerung an Gottfried Benn. nur dass Benn in seinem roman des phänotyp, von dem Crauss‘ prosa […] gar nicht allzu weit abweicht, jene generation alter männer vor augen führt, die eine vergangenheit loswerden wollte und darum ihr politisches handeln leugnete und erzählbare geschichten verschwieg, während Crauss das porträt der heute jungen generation zeichnet, die keine zukunft vor sich sieht und daher auf handeln und geschichte gleich im vorhinein verzichtet. man hängt ab, tanzt, flirtet, säuft bis zum koma. für immer disko? Crauss weiss genau: disko lügt.”

MOTORRADHELD ist nichts als die WAHRHEIT in ihrer erotischsten form. egal, ob es sich bei den einzelnen texten in MOTORRADHELD um gesprächsnotiz, kurzgeschichte, fingierte zeitungsmeldung, essay oder montage handelt: bei aller methodischen strenge erweist sich Crauss als fabulierfreudiger und umwerfend komischer erzähler mit einer vorliebe für BEAT und PORNO. und da, mit verlaub, können ein batiktuch (“es riecht modrig”), ein kopfhörer (“an dem ich vorsichtig schnuppere und fast enttäuscht feststelle, dass er nicht nach furz riecht.”) und ein altes mofa wirklich nicht mithalten!

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KEIN VERGLEICH: original und fälschung

PORTOTIPO BOOTLEG | HAFENSCHABLONE

portotipo bootleg | hafenschablone I
spiegelscherben. mit durchdringender stimme sitzen sie am ufer und lassen ein lied erschallen, von dem sie wissen, dass es nicht wiederkommt. über den spiegel verbreitet es sich, langsam, kräftig sitzen die weiber am ufer und singen höchst sonderbare weisen, eine klage ohne trauer, ohne zu ermüden. spiegelscherben liegen auf der see, im ersten taglicht gehen alle weiber ihrer art nach, setzen sich ans ufer, lassen alles sonst sein, singen diese weisen, bis sie, endlich, auch von ferne eine stimme, jene ihrer ihrigen vernehmen. mahnen die gezeiten, still zu sein. der sturm kommt, züngelt land. die stimmen kämpfen mit dem meer und kreischen, singolare, come quel canto intenerisce, molto piè, quando è piè ben cantato —

portotipo bootleg | szablony portowe
ilustrzane szkiełka. na brzegu siedzą te o przenikliwym głosie i pozwalają brzmieć pieśni, o której już wiedzą że nie wróci. ta się nad tym lustrem rozlewa, powoli, twardo siedzą te baby na brzegu i wyśpiewują przedziwną melodię, skargę bez smutku, bez zmęczenia. lustrzane szkiełka leżą na morzu, w pierwszym świetle dnia wszystkie baby, idąc za swą naturą, siadają na brzegu, zostawiają wszystko precz, śpiewają tę melodię, aż wreszcie usłyszą, również z daleka, jeden z własnych głosów upominają przypływy, by były cicho. idzie sztorm, wstaje ląd. głosy walczą z morzem piszcząc, singolare, come quel canto intenerisce, molto piè, quanto è piè ben cantato —

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PORTOTIPO BOOTLEG | HAFENSCHABLONE

SILVESTERKRACHER

EINE FEIER. (III: get the party started)

später in der nacht noch einmal Donald Byrds pure d-funk oder den afro-fusion doppel-pulp mit Manu Dibango und mombassa. vorerst aber – ich habe gewartet, doch nun bist du hier – die gleiche leier wie im letzten jahr: nun klingen die banjos, nun klingt das klavier. komm tanz den ersten tanz mit mir.

die rede ist vom pionier, vom meister des non-stop-mixes; James Last, schreit jemand in der kurzen pause, und ja, richtig, das kennen wir von früher, von ganz früher. niemand besser als Hansi verstand es, die legende von babylon mit proud mary oder daddy cool und josé dem strassenmusikanten zu verbinden, ohne lächerlich zu wirken.
ich weiss unter garantie, ich werde einmal mehr einem sentimentalen ausbruch erliegen, wenn Hansi tut als sei er Nina & Mike, die so tun als seien sie die George Baker selection. dann muss ich an die feiern im elternhaus denken, 1977, 76, 75, und ich werde zufrieden sein, dass es mir stets ganz leidlich gelungen ist, auch später, einfach nur ‚dabei‘ gewesen zu sein, die stimmung genossen zu haben, die vorbereitungen, das salatschneiden gegen abend, das eau-de-cologne-anlegen, das die-gäste-erwarten. ich als kind mittenmang, ich als teenager am rande, in einer etwas stilleren ecke der grillhütte. zuschauer. mittelpunkt sein kann man zu anderen gelegenheiten.

der duft in all dem, die angefülltere luft. je später der abend, je schöner die gäste. ich habe gewartet, doch nun bist du hier. komm, tanz den ersten tanz mit mir. jetzt geht die party richtig los, der abend fängt erst an. ich war ein echter trauerkloss! je später der abend, je schöner die gäste. die uhren, die stellen wir einfach zurück. denn wie sie gerade fallen, so feiern wir die feste – und tanzen so lange wir wollen ins glück.

lassen wir es also nicht allzu langsam angehen und ziehen die party von hinten auf. noch läuft ein insomnia-sample aus Mambo Kurts kracher return of the alleinunterhalter in der endlosschleife, schon scratcht jemand mit einer polydor-kassette rein und verlangsamt unsere gefühle auf den raschel-ei-rhythmus von silver machine. ehe wir uns versehen, sind die regler nach rechts gedreht: elektroguitarren jaulen auf und wir fühlen uns für die nächste halbe stunde wie children of the revolution.

Roman ist auch von der partie. ich habe sogar die original-lp, quietscht er und hottet auf school’s out ab. selbstverständlich trägt er heute, zur feier des tages sozusagen, einen tailliertblauen samtanzug und schneeweisse stiefeletten. hello-a, rufe ich zurück – und ab geht die post: black and white – standing in the road – easy living – coming closer – run to me – und um mitternacht i’m on my way. aber das kriegt gerade keiner mit.

get the party started 1974

1973 party on

Roman steht noch auf dem balkon und schaut den blaulichtern zu. herrlich, wie die sich mit dem gestank und dem ganzen nebel mischen, ruft er ins wohnzimmer. das grosse licht ist an, ich liste die ersten verletzten: das schöne grüne sofa hat ein brandloch, jemand hat schätzungsweise ein halbes fass bier über meinen platten ausgegossen und irgendwie hängt die tür der vitrine schief. das telephon läutet. erstaunlich, dass um diese uhrzeit überhaupt jemand durchkommt. das ist meine mutter! ich erschrecke, wie schnell Roman vom balkon im zimmer ist, versuche ihn noch davon abzuhalten, abzunehmen.
mama, weer all crazee now, brüllt er in die muschel und kichert. dann dreht er die regler wieder nach rechts und die party geht weiter. nein, jetzt geht die party erst richtig los, der abend fängt erst an. ich war ein echter trauerkloss, als die fete hier begann. jetzt geht die party richtig los, jetzt sind wir alle da. mit dir wird hier die stimmung gross, schalla-li und schalla-la la la paloma blanca: traum und erleben für zwei. oh, la paloma blanca, du machst uns glücklich und frei. rings um uns her   nur himmel und meer

                                                                                              nur himmel und meer

wir taumeln vom flauschigen ins fleischige und wieder zurück. schliesslich kann es kein zufall sein, dass auf der b-seite long cool woman in black dress, pop that thang und schlaflose nacht direkt hintereinander kommen. we join together, lift our bottoms up to thunder and lightning, bis uns die ohren platzen. ungefähr bei living on video wollen wir Mambo Kurt zurück haben. Roman erfüllt uns den wunsch und wir gleiten ab in die nacht auf einem wahnsinnig dahingehauchten, jedoch um einige ummis über der drehzahl schrillenden musik ist trumpf. wir lassen uns in die kissen sinken und schnippen noch ein viertelstündchen mit. oder ein halbes. so geht glück!

 

zuerst erschienen in: MOTORRADHELD. prosa. klagenfurt: ritter verlag 2009

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