Vollanalog statt digital – Crauss in der SZ über Methoden, alive zu bleiben

Ein Artikel von Jana Albrecht. Hier Wiedergegeben als Belegexemplar.

Poetry Slam: Dead or Alive?!

Siegen. Die virtuellen Möglichkeiten einer Kulturszene in diesen Tagen

jca ■  Ein wenig vergessen und still wirkt das Kulturhaus Lÿz an diesem Novembersonntag. Hier sollte jetzt eigentlich der traditionelle Siegener Poetry-Slam stattfinden. Ein vielfältiges Publikum und ebenso vielfältige Slampoeten aus ganz Deutschland sollten hier in ausgelassener Abendstimmung Kultur genießen.

Sollten … Eigentlich … Aber das Kulturhaus bleibt dunkel, und um die Slampoeten des Landes scheint sich eine leise Stille zu legen. Die Kreativität Kunstschaffender steht ein weiteres Mal in diesem Jahr auf dem Prüfstand. Eine der wenigen Möglichkeiten, auch im zweiten Lockdown „alive“ zu bleiben, ist die Nische der Virtualisierung, durch die über Podcasts und Livestreams ein wenig Normalität in die Wohnzimmer der Menschen gebracht werden kann.

Mit dem Projekt „Support Your Local Artists“ und dem „Virtuellen Hut“ bieten Sebastian Zimmermann, Dirk Hartmann und Martin Horne seit April eine Livestreaming-Plattform für Künstler. Zimmermann sieht im „Virtuellen Hut“ eine willkommene Alternative, die auch unabhängig von Corona in Zukunft Bestand haben könnte. Viele Künstler hätten sich am Anfang zwar schwer getan, in einem leeren Raum mit der Kamera anstelle eines Livepublikums zu interagieren, das Livestreamen sei aber inzwischen ein Stück neue Normalität geworden und bei vielen Artisten und Künstlern mittlerweile routiniert, so Zimmermann im Gespräch mit der SZ.

Um Künstlern nicht nur einen Raum für die Performance zu bieten, sondern sowohl ihnen als auch den Technikern hinter der Kulisse finanziell eine kleine Unterstützung zukommen zu lassen, können z. T. während des Livestreams Spenden über einen Paypal-Button abgegeben werden.

Einen großen Vorteil eines virtuellen Kunstraumes sieht der Mitbegründer des „Virtuellen Huts“ vor allem in der Barrierefreiheit: „Für Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht ins Theater gehen können, stellt das Livestreamen eine willkommene Alternative dar“, berichtet Zimmermann.

Um „verlorene Nähe“ in Zeiten der Krise wiederzugewinnen, hat sich auch das Bruchwerk-Theater Siegen eine Alternative erdacht und bietet mit einer „Hybriden Livestream-Reihe“ zum Thema Nahaufnahme und mit der Leserunde „Stück für Stück“ in entspannter Atmosphäre ein Onlineformat, das Menschen sich trotz Social Distancing nahe sein lässt. Trotz kreativer Ideen und virtueller Räume vermissen Künstler und Slampoeten die Interaktion mit dem Publikum und hoffen auf die Möglichkeit, bald wieder in einem direkten Kontakt mit diesem auftreten zu können.

Die Kunst- und Kulturszene hat geprüfte und sehr gute Corona-Maßnahmen entwickelt, in die sie bereits viel Geld gesteckt hat.

Tobias Beitzel, überregional bekannter Slampoet aus Bad Berleburg, betrachtet die Beständigkeit virtueller Alternativen mit Skepsis und verbannt auch das Thema Corona aus seinen Texten: „Die Leute haben genug von dem Thema, da muss ich das nicht auch noch in meinen Texten verarbeiten.“ Die Winterzeit während des zweiten Lockdowns nutzt Beitzel vor allem dazu, sein neues Programm „Dorfkind“ voranzutreiben, in der Hoffnung, im Frühjahr damit an den Start gehen zu können.

Beitzel, der mit seinem Sommerabend-Programm, einem Mix aus Poetry-Slam, Singer-Songwriter-Slam und Comedy in Picknickatmosphäre mit überzeugendem Hygienekonzept, eine spannende Alternative zu den virtuellen Angeboten erarbeitete, wünscht sich im Rahmen des staatlichen Appells „Veranstaltungen meiden“ mehr Differenzierung zwischen Privatfeiern und kulturellem Programm. Als Veranstalter betont Beitzel seine Verantwortung, die er gegenüber seinem Publikum hat: „Die Kunst- und Kulturszene hat geprüfte und sehr gute Corona-Maßnahmen entwickelt, in die sie bereits viel Geld gesteckt hat.“ Der momentane zweite Lockdown bedeute für viele seiner Kollegen ein Abrutschen in die Sozialhilfe: „Corona wird eine große Lücke in der Kulturlandschaft hinterlassen“, so Beitzel abschließend beim Gespräch im Innenhof des Oberen Schlosses, dem Ort, an dem noch ein sanftes Rauschen vergangener Poetry-Slam-Veranstaltungen zu verspüren ist.

Ein wenig Optimismus in die Stille bringt Crauss (www.crauss.de), lokaler [tatsächlich: übernational agierender!] Gegenwartspoet, Dozent für kreatives und biographisches Schreiben und Kulturpädagoge. Beim Treffen mit obligatorischer Maske und dem gebotenen Abstand beginnt das Gespräch am Siegufer über sein Projekt: gesprochene Lieder, Videoclip-Ästhetik und eine „vollanaloge“ Perspektive anstelle einer beständigen Virtualisierung „leiser Gedichte“. Trotz eines Plädierens für vollanaloge Seminare und Lesungen greift auch Crauss in heutigen Zeiten auf Online-Alternativen zurück, um „alive“ zu bleiben. So bot er beispielsweise im vergangenen Frühjahr Webinare an in der Reihe „Selbst-Versuche“ des Hauses für Poesie Berlin sowie einen Schreibworkshop über das Online-Portal des Bruchwerk-Theaters. Doch auch Crauss fehlt das direkte Interagieren bei Live-Lesungen und -Workshops, und die Ungewissheit über das Stattfinden geplanter Veranstaltungen bringt ihn, wie viele andere Künstler, zum Nachdenken. Die Buchvorstellung seines neuen Bandes „Blackbox“, einer dreisprachigen Lyriksammlung auf Englisch, Deutsch und Mazedonisch, hätte bereits im November bei der Biennale für zeitgenössische Künste „SlovoKult::LiterARTur::2020“ stattfinden sollen und wurde aufgrund der Pandemie auf den 21. bis 23. Dezember verlegt. Ob seine Lesung zur „Schönheit des Wassers“ in Netphen am 14. Januar 2021 live stattfinden kann, bleibt ebenfalls noch unklar.

Was ist mit und vor allem was wird nun aus unseren Künstlern, Schriftstellern, Musikern und Slampoeten? Leise nutzen sie Nischen, um „alive“ zu bleiben und in „Stille“ auf eine altbewährte, normale Nähe zu ihrem Publikum hoffen zu dürfen. Leise, um an einem Morgen in der Zukunft aus der virtuellen Isolation zurück auf die Bühne treten zu können und in der Interaktion mit ihrem Publikum wieder laut zu sein, denn: „Ohne Kunst und Kultur wird’s still.“

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Vollanalog statt digital – Crauss in der SZ über Methoden, alive zu bleiben

Crauss liest … im lokalblatt

… löblichen lokaljournalismus, der einen dreispalter darauf verwendet, über eine lesung zu berichten, die aus anlass des bezugs neuer räumlichkeiten eines kulturvereins stattfand. schade nur, dass im artikel mal wieder kein genauer zeitpunkt genannt wird, man sich nicht traut zuzugeben, dass zwischen ereignis und druck wohl mehr als ein paar tage liegen. fühlte sich ein leser denn wirklich um die aktualität betrogen, wenn das genaue, eventuell sogar schon eine woche zurückliegende datum bekanntgegeben wüde? der lokalforscher wird sich in einigen jahren jedenfalls ärgern, wenn er die recherche nachholen muss, die der journalist versäumt hat – wenn es sich denn nicht bloss um eine modifizierte pressemitteilung handelt. denn als autor steht ganz allgemein “sz”, und das photo zum artikel hat der verein offenbar selbst beigesteuert.

die siegener zeitung beschreibt angenehmerweise sehr ausführlich die russlandreise/n Rainer Maria Rilkes und seiner begegnung mit der dichterin Marina Zwetajewa. vollkommen ausgelassen werden aber wichtige informationen, welchen zweck der russisch-deutsche kulturverein eigentlich hat oder was in zukunft geplant ist, beispielsweise auch, zu welchen tages- und uhrzeiten das ladenlokal in der siegener oberstadt betreut wird. noch steht hierzu auch nichts auf der vereinshomepage (umso wichtiger wäre eine notiz in der sz gewesen). immerhin lernt man dort aber, dass sich litera aus einem lesekreis der  Johann-Gottfried-Herder-Bibliothek Siegerland e.V. gebildet hat, einer institution, die mir von früheren besuchen als recht konservativ in erinnerung ist und die “die begegnung mit dem deutschen und europäischen osten […] fördern und das dort in jahrhunderten gewachsene deutsche kulturerbe als bereicherndes element in die gesamtdeutsche entwicklung” einbringen will (zit. nach homepage).

auf der litera-seite gibts neben der leicht zugänglichen satzung immerhin auch ein sehr umfangreiches verzeichnis der bücher, die der verein in bezug auf russische literatur und deutsch-russische beziehungen vorhält. das ist wohl mehr als die lokalpresse leisten konnte.

 deutsch-russisches kulturzentrum litera

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Crauss liest … im lokalblatt

detail|kunst|sporen 2

mara schimmelbilddas projekt badstrasse außer haus eröffnete kürzlich die vorerst letzte ausstellung in der bedürfnisanstalt am siegener obergraben, worüber Sarah Stöcker für die siegener zeitung einen interessierten artikel schrieb, in dem auch die irritierten blicke der passanten angesprochen wurden, die sich nicht vorstellen konnten, dass in einer öffentlichen toilettenanlage ein empfang stattfand. peter klanghandlungnachdem Peter Strickmann (saarbrücken) seine urinal-installation aktiviert sowie eine klanghandlung mit improvisiertem instrumentarium vorgenommen und Mara Genschel (stuttgart) den schaukasten der sz mit durch pilzkulturen versetzten mini-ausschnitten des blatts nachgestellt hatte, staunten beteiligte wie gäste nicht schlecht: wie auf zuruf tauchte der wagen eines sachverständigen für schimmelpilzbefall im obergraben auf, hielt allerdings auf abstand, wohlmöglich im wissen, dass kunst, zumal sie sich wie pilze oft ‘sporadisch’ verbreitet, ein weitaus gefährlicherer gegner sein kann als simpler schimmel.

schimmelpilz auto

 

die ausstellung jedenfalls entwickelt sich weiter und ist jeden donnerstag 19:30 bis 22:00 sowie samstags 13-16 uhr zu besichtigen, bevor am 26. september 2015 Peter Strickmann sich nochmals einem künstlergespräch stellt.  

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